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Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Joseph von Eichendorff





Die Nacht

Niedersinkt des Tages goldner Wagen,
Und die stille Nacht schwebt leis‘ herauf,
Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh im schweren Lebenslauf.

Ruhe gießt sie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden,
Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm.

Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schließet sich das Heiligtum,
Tiefe Stille herrscht im weiten Reiche,
Alles schweigt im öden Kreis herum.

Und der Mond schwebt hoch am klaren Äther,
Gießt sein sanftes Silberlicht herab;
Und die Sternlein funkeln in der Ferne
Schau’nd herab auf Leben und auf Grab.

Willkommen Mond, willkommen sanfter Bote
Der Ruhe in dem rauhen Erdental,
Verkündiger von Gottes Lieb und Gnade,
Des Schirmers in Gefahr und Mühesal.

Willkommen Sterne, seid gegrüßt ihr Zeugen
Der Allmacht Gottes der die Welten lenkt,
Der unter allen Myriaden Wesen
Auch meiner voll von Lieb‘ und Gnade denkt.

Ja, heil’ger Gott, du bist der Herr der Welten,
Du hast den Sonnenball emporgetürmt,
Hast den Planeten ihre Bahn bezeichnet,
Du bist es, der das All mit Allmacht schirmt.

Unendlicher, den keine Räume fassen,
Erhabener, den Keines Geist begreift,
Allgütiger, den alle Welten preisen,
Erbarmender, der Sündern Gnade beut!

Erlöse gnädig uns von allem Übel,
Vergib uns liebend jede Missetat,
Laß wandeln uns auf deines Sohnes Wege,
Und siegen über Tod über Grab.

Georg Büchner





Abend im März

Ich trete in die Türe ein,
der Mond war vor mir dort.
Ach Mond, du sollst nicht bei mir sein!
Er schweigt und geht nicht fort.

Er wohnt in meiner Stube drin
seit gestern, als ich kam.
Ich seh ihn, weil ich traurig bin,
ich kenn ihn nur im Gram.

Ich zünde keine Lampe an,
ich setz mich in sein Licht.
Durchs Fenster blick ich dann und wann,
der Mond erkennt mich nicht.

So eß ich einen goldnen Fisch,
gieß Wasser mir ins Glas,
wie eine Wiese ist der Tisch,
im Mondlicht wächst das Gras.

Jetzt wird er bald verfinstert sein,
wohl gegen Ende März.
Und sinnlos fällt das Wort mir ein:
„Er ist der Nacht ihr Herz.“

Er ist so blind, er ist so taub,
ihn kümmern Tränen nicht.
Er schwankt im Wind, er hängt im Laub,
ach mit demselben Licht.

Günter Eich









Gesänge der Seele

In einer dunklen Nacht,
entflammt von Liebessehnen,
o seliges Geschick!
Entfloh ich unbemerkt,
da nun mein Haus in Ruhe lag.

In Dunkelheit und ungefährdet,
auf geheimer Leiter, vermummt,
o seliges Geschick!
in Dunkelheit und im verborgnen,
da nun mein Haus in Ruhe lag.

In der seligen Nacht,
insgeheim, so daß mich keiner sah,
und ich selber nichts gewahrte,
ohne anderes Licht und Geleit
außer dem, das in meinem Herzen brannte.

Dieses führte mich
sicherer als das Mittagslicht
dorthin, wo meiner harrte
der mir wohl Vertraute,
an den Ort, wo niemand sonst sich zeigte.

O Nacht, die mich lenkte!
O Nacht, holder als Frührot!
O Nacht, die den Geliebten
mit der Geliebten vereinte,
die Geliebte in den Geliebten wandelte.

An meiner blühenden Brust,
die für ihn sich ganz bewahrte,
dort schlief er ein,
und war zärtlich zu ihm,
und die Zedern fächelten im Wind.

Der Windhauch von der Zinne
- als er nun sein Haar ausbreitete –
mit seiner leichten Hand
berührte er meinen Hals
und machte alle meine Sinne schwinden.

So blieb ich und vergaß mich selbst,
neigte das Antlitz über den Geliebten.
Alles erlosch, ich gab mich auf,
ließ meine Sorge fahren,
vergessen unter Lilien.

aus: Johannes vom Kreuz,
Die dunkle Nacht,
Einsiedeln 1978




Inmitten der großen Stadt

Sieh, nun ist Nacht!
Der Großstadt lautes Reich
durchwandert ungehört
der dunkle Fluß.
Sein stilles Antlitz
weiß um tausend Sterne.

Und deine Seele, Menschenkind?

Ward sie nicht Spiel und Spiegel
irrer Funken,
die gestern wurden,
morgen zu vergehn, -
verlorst
in deiner kleinen Lust und Pein
du nicht das Firmament,
darin du wohnst, -
hast du dich selber nicht
vergessen,
Mensch,
und weiß dein Antlitz noch
um Ewigkeit?

Christian Morgenstern




Nachtgedichte

erscheinen unter Herzklopfen
weil die Welt so dunkel ist.
Verirrte Verse versprengte Zeilen
eine geschlagene Armee
von Worten auf der Flucht.
Müde erscheinen sie
von toten Mündern versehrt
und fallen anheim jedem
der sie ergreift
während solcher Stunde
atemlos vor Stille
beim kryptischen Gewisper
des Lebens hinter der Tapete
das sein Geheimnis
für sich behalten will.

Günter Kunert




Versöhnung

Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen...
Wir wollen wachen die Nacht,

In den Sprachen beten,
Die wie Harfen eingeschnitten sind.

Wir wollen uns versöhnen die Nacht –
So viel Gott strömt über.

Kinder sind unsere Herzen,
Die möchten ruhen müdesüß.

Und unsere Lippen wollen sich küssen,
Was zagst du?

Grenzt nicht mein Herz an deins –
Immer färbt dein Blut meine Wangen rot.

Wir wollen uns versöhnen die Nacht,
Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.

Es wird ein großen Stern in meinen Schoß fallen.

Else Lasker-Schüler
Gedichte zur Nacht



Zärtliche Nacht

Es kommt die Nacht
Da liebst du
Nicht was schön – was häßlich ist.
Nicht was steigt – was schon fallen muß.
Nicht wo du helfen kannst – wo du lieblos bist.
Es ist eine zärtliche Nacht,
die Nacht da du liebst,
was Liebe
nicht retten kann.

Hilde Domin




Nachtgefühl

Wenn ich mich abends entkleide,
     Gemachsam, Stück für Stück,
so tragen die müden Gedanken
     Mich vorwärts oder zurück.

Ich denke der alten Tage,
     Da zog die Mutter mich aus;
Sie legte mich still in die Wiege,
     Die Winde brausten ums Haus.

Ich denke der letzten Stunde,
     Da werden’s die Nachbarn tun;
Sie senken mich still in die Erde,
     Dann werd‘ ich lange ruhn.

Schließt nun der Schlaf mein Auge,
     Wie träum‘ ich so oftmals das:
Es wäre eins von beidem,
     Nur wüßt‘ ich selber nicht, was.

Friedrich Hebbel




Nacht

In der Nacht
tanzen die Schwüre
mit grauen Katzen

Was übrigbleibt
fressen die Fische
im Morgengrauen

Die Nacht ist eingezeichnet
in alle anderen Nächte
die Nacht ist ausgezeichnet
vor allen anderen Nächten
Liebe ist anders

Die Nacht ist so hoch
wie sie lang ist
die Nacht ist so kurz
wie sie tief ist
Leben ist anders

Erich Fried




Hoppers Nacht

Hoppers Menschen
sitzen in der Bar.
Es kommt mir kein Wort
über die Lippen.

Eine kleine weiße Schlange kommt
mir über die Lippen.
Sie verschwindet im Garten,
wer mich kennt, weiß Bescheid.

Auf hohen Stühlen
sitzen Hoppers Menschen,
und sie führen ein Gespräch,
ohne ein Wort zu sagen.
Sie reden und
eine kleine weiße Schlange
windet sich um sie herum.
Der Barmann weiß Bescheid.

Er spült die Gläser,
er betrachtet das Glas,
und er weiß,
im Glas ist ein Auge,
das nicht seines ist.
Der Barmann weiß Bescheid.

Er spielt mit einem Gedanken,
während du mit einem Wort spielst.
Dieses Wort ist sperrig und schwarz.
Niemand geht darauf ein.
Das Gleiche noch einmal, sagst du.

Richard Wagner




Briefwechsel

Wenn die Post nachts käme
und der Mond
schöbe die Kränkungen
unter die Tür:
Sie erschienen wie Engel
in ihren weißen Gewändern
und stünden still im Flur.

Ilse Aichinger




Tagesanbruch

Nicht umsonst
Wird der Anbruch eines jeden neuen Tages
Eingeleitet durch das Krähen des Hahns
Anzeigend seit alters
Einen Verrat

Bertolt Brecht